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Interview mit Klaus-Peter Gläser

Barrieren abbauen

Klaus-Peter Gläser im Gespräch mit Avacon-Kommunalreferentin Antje Klimek. © Joachim Lührs

Klaus-Peter Gläser aus der Samtgemeinde Grasleben setzt sich seit mehr als zwei Jahrzehnten für Barrierefreiheit in vielen Lebensbereichen ein. Trotz vieler Erfolge geht ihm die Arbeit nicht aus. Im Interview spricht er über einige seiner „Baustellen“.

Herr Gläser, unter anderem leiten Sie einen Regionalbeirat, der sich für die Belange von Menschen mit Behinderungen einsetzt. Wie sind Sie zu Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit gekommen?

Mittlerweile bin ich seit 35 Jahren in der Kommunalpolitik tätig. Zuerst im Samtgemeinderat, später, bis 2016, war ich Mitglied des Kreistages, insgesamt 20 Jahre lang, und habe dort den Sozialausschuss geleitet. Im Beirat für Menschen mit Behinderungen haben sich bereits viele Berührungspunkte mit meinem heutigen Ehrenamt ergeben. Mit meinen Erfahrungen und mit meinen Kontakten weiß ich ganz gut, wo Wünsche Gehör finden und verwirklicht werden können.

 

Welche Aufgaben sind mit Ihrem Ehrenamt verbunden?

Menschen mit Behinderungen brauchen eine Lobby. Wer eine Regional-Konferenz leitet – seit fünf Jahren tue ich das zusammen mit einem Kollegen –, ist Ansprechpartner für die verschiedensten Anliegen. Mein Anspruch ist es, für jeden ansprechbar zu sein – zum Beispiel für Menschen, deren Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist, oder für Menschen, die schlecht sehen oder schlecht hören. Senioren, die mit dem Rollator unterwegs sind, trifft es im Übrigen genauso, wenn ein Gebäude oder eine Bushaltestelle schlecht zugänglich ist, weil die Rampe fehlt. Und unsere Gesellschaft wird zusehends älter, das Interesse an Barrierefreiheit wächst.

 

Was liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?

Ich möchte vier Bereiche nennen, in denen es besonders um Barrierefreiheit geht. Neben Schule und Beruf oder Arbeitswelt sind das der Freizeitbereich und der öffentliche Nahverkehr. Jeder Bereich stellt seine besonderen Herausforderungen. Woran mir persönlich besonders viel liegt, ist der unmittelbare persönliche Kontakt zu anderen Menschen. Behinderte, auch ihre Angehörigen, Familienmitglieder, Mitbewohner und Freunde. Je mehr Kontakte man pflegt, umso intensiver wird die Tätigkeit – und umso mehr bereichert sie. Gleichzeitig ergibt sich mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Regionen sowie im Sozialministerium und mit der Landesbeauftragten ein reger produktiver Austausch. Der ist ebenso nötig wie nützlich und deshalb auch schön. Man merkt, wie Anstöße weitergegeben werden, wie sich Dinge weiterentwickeln.

© Joachim Lührs

Beispiel Schulen: Welche Maßnahme können Sie hier nennen?

Auf Landesebene haben wir einen „Aktionsplan Inklusion“, der weit über 100 Maßnahmen verzeichnet. Nicht nur ein langer Wunschzettel, sondern auch finanziell unterlegt. Städte und Kreise melden, was sie erreicht haben. In meinem Landkreis Helmstedt zum Beispiel gibt es vier Gymnasien. Wir schaffen es nicht, alle gleichzeitig barrierefrei zu gestalten. Deshalb haben wir ein Gymnasium – ebenso eine Grund- und Realschule – ausgewählt. Dort wurden die erforderlichen Rampen für Rollstuhlfahrer gebaut und die Sanitärbereiche umgestaltet. Mit erheblichen Mitteln aus der Förderung des Landes war es möglich, die ausgewählten Schulen wirklich barrierefrei auszulegen.

 

Wie sieht die Situation für behinderte Menschen im Berufsleben aus?

Auf der einen Seite gibt es ganz viel Engagement, auf der anderen liegt noch vieles im Argen. Jugendliche Behinderte sind sehr motiviert, oft sogar stärker als ihre Altersgenossen, doch es gibt immer noch viele Schwierigkeiten. Auch engagierte Arbeitgeber tun sich trotz der großzügigen Landesförderung schwer – aber gerade die Vermittlung in den Job ist das Schwierigste. Es gibt eine Menge eindrucksvoller Beispiele, die alle Vorurteile widerlegen: Im „Café anna leine“ etwa, mitten in Hannovers Altstadt und komplett barrierefrei, arbeiten behinderte und nichtbehinderte Mitarbeiter prima zusammen. Die Werkstätten der Lebenshilfe beschäftigen viele junge Menschen, sie vermitteln Arbeitskräfte weiter – und behalten viele qualifizierte, motivierte und fähige gern selbst. Aufträge von großen Firmen, früher von VW und aktuell von IKEA, helfen den Werkstätten ungemein bei ihrer Arbeit.

 

Wo sehen Sie Möglichkeiten, Hindernisse abzubauen und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen?

Engagierte Arbeitgeber und die öffentliche Förderung können vieles bewirken, damit Menschen mit Behinderungen nicht an Vorurteilen scheitern. Wir appellieren an unsere Ansprechpartner: Wer sich in die Rolle eines behinderten Jugendlichen versetzt, versteht, wie sehr es ihn oder sie trifft, wenn Bewerbungen abgelehnt werden – und sie trotz bester Qualifikation keine Zusage erhalten.

 

Wie sieht es im Freizeitbereich aus: Bessert sich die Situation für behinderte Menschen?

Ja, sie bessert sich, auch wenn viel zu tun bleibt. Es tut sich etwas im allgemeinen Bewusstsein. Zum Beispiel wird schon bei der Planung eines Wanderwegs, einer Gaststätte oder eines Schwimmbads an die unterschiedlichen Gruppen und ihre Bedürfnisse gedacht. Vier von zehn Personen sind älter als 60, auch Senioren profitieren von behindertenfreundlichen Anlagen und Einrichtungen. Schöne Beispiele für Barrierefreiheit sind der Wanderweg im Werratal, in der Region "Grünes Band", am Steinhuder Meer oder zum Großen Arber. Wo solche Angebote bestehen, werden sie auch angenommen.

Ein Vorbild ist auch unser Freizeitbad in der Samtgemeinde Grasleben. Mit 1,6 Millionen Euro Zuschuss vom Bund wurde es saniert und barrierefrei umgebaut. Für alle Älteren ist das ein großer Gewinn.

Klaus-Peter Gläser und Avacon-Kommunalreferentin Antje Klimek zu Besuch im Freizeitbad Grasleben

Engagement

Städte und Landkreise in Niedersachsen haben Behindertenbeauftragte und  -beiräte für die politischen Gremien, zum Beispiel für den Sozialausschuss. Beiräte bringen die Belange von Behinderten in die Entscheidungsfindung ein und arbeiten regional zusammen. Es gibt sechs Regionen, in Braunschweig und Umland (von Göttingen bis Uelzen und von Peine bis Helmstedt) leitet Klaus-Peter Gläser die Regional-Konferenz der Behinderten-Beiräte gemeinsam mit einem Kollegen. Über den Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen arbeitet er mit der Landesbeauftragten im Sozialministerium zusammen. Menschen mit Behinderungen brauchen eine Lobby.

Die Arbeit von Klaus-Peter Gläser steht stellvertretend für viele Menschen, die sich für andere einsetzen. Über weitere Projekte aus der Region sowie über das Engagement von Avacon lesen Sie unter:

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