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Die Kommune von morgen – Visionen und Möglichkeiten des Wandels

@ Roman Babakin/Adobe Stock

Wie kann zeitgemäße kommunale Stadtentwicklung respektive Ortsplanung angesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit aussehen? Welche Visionen und Möglichkeiten des Wandels schaffen real Zukunft und ermöglichen die Gestaltung der Kommune von morgen? Und wie viel Zeit bleibt noch? Allmählich dringt die Erkenntnis auch in den letzten Winkel der Republik vor: Wir können nicht weitermachen wie bisher. Nicht zuletzt der rasant fortschreitende Klimawandel wie auch die kaum beherrschbare Corona-Pandemie zeigen, dass wir auf eine anhaltend veränderte Wirklichkeit zusteuern – beziehungsweise schon mittendrin sind. Doch der Wandel schreitet fort und für die Macherinnen und Macher unserer Epoche stellt sich die Frage: Was kann getan werden, damit wir den zu erwartenden Veränderungen gewachsen sind? Wo kann der Wandel gezielt gesteuert werden? Und wie lässt sich die Krise als Chance nutzen, vielleicht sogar für eine noch bessere Lebensqualität für alle? Jetzt ist die Zeit für Visionen und zupackendes politisches Handeln – auch und gerade auf kommunaler Ebene.

„Wieder ein Land werden, das macht, das tut ...“

„Ich finde, dieses Land wirkt wie eingefroren“, so Johannes Teyssen, jüngst ausgeschiedener Vorstandsvorsitzender der E.ON SE im Interview bei Avacon-CEO Marten Bunnemann in dessen erstem Energie-Podcast „Impulse“ am 6. April 2021. „Wir haben nicht gemerkt, dass seit Jahren nichts mehr passiert. Nichts Neues, nichts mehr ...“ Den Akteuren in Politik und Wirtschaft gibt er mit auf den Weg: „Wir müssen wirklich wieder ein Land werden, das macht, das tut ...“ Die Größe und Vielfalt der Aufgaben ist überwältigend und wird die Menschen, die in den Kommunen landauf, landab in Verantwortung stehen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten stark fordern – einerseits. Andererseits bieten sie die einzigartige Gelegenheit, bei sich vor Ort einen Jahrhundertwandel mitzugestalten. Johannes Teyssen rät, mit einfachen Dingen anzufangen und dann Schritt für Schritt weiterzugehen, statt gleich ganz hoch hinaus zu wollen und dann angesichts der Größe der Aufgabe nicht ins Tun zu kommen. „Einfach mal machen“, wie Marten Bunnemann ergänzt. Und die großen Themen der Zeit sind sowieso alle eng verknüpft – nimmt man den Faden an einem Ende auf, wird sich eines nach dem anderen daraus entwickeln. Deshalb: Ärmel hochkrempeln und – einfach mal machen.

Wagen neu zu denken – nämlich vom Menschen her

Vor allem anderen heißt es, dem Klimawandel noch schneller und entschlossener zu begegnen, um weiterhin ein lebenswertes Leben auf unserem Planeten zu ermöglichen. Dazu gehört, dass die neuen Wege der Energiepolitik und -wirtschaft der letzten Jahre und Jahrzehnte weiter massiv vorangetrieben werden. Dazu gehören auch schlüssige Konzepte für eine konsequente Verkehrswende für Stadt und Land, Nah- und Fernverkehr, Schiff- und Luftfahrt – um eine vollständige Dekarbonisierung zu erzielen und somit den weltweiten Temperaturanstieg zu begrenzen. Und dazu gehört weiterhin, Zusammenleben, Wohnen, Wirtschaft, Landwirtschaft und die Gestaltung des öffentlichen Raums zu wagen neu zu denken – nämlich vom Menschen her. Denn auch der demografische Wandel, der Wohnraummangel und die zu hohen Mieten wie auch Immobilienpreise einerseits, die Leerstände andererseits, die Verödung von Ortszentren, der Strukturwandel im Einzelhandel und die Digitalisierung, um nur einige Stichwörter zu nennen, die die weiteren Herausforderungen grob umreißen, verlangen nach neuen Ideen und Lösungen. Was wollen und brauchen wir in den Kommunen, ob klein oder groß, ländlich oder städtisch? Erst mal den Mut, sich auf vielleicht noch unbekanntes Terrain zu begeben und Neues zu wagen – den Lichtkegel bzw. Blickwinkel zu erweitern, um den Schlüssel zu finden - um mit Paul Watzlawick zu sprechen.

„Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: ’Meinen Schlüssel.’ Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: ’Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster.’ “

Paul Watzlawick in „Anleitung zum Unglücklichsein“

Wer Visionen hat, sollte ... sich einbringen!

Zwar müssen den großen Rahmen in Deutschland Bundespolitik und Wirtschaft stecken. Doch das heißt nicht, dass nicht auch wesentliche Impulse von den Kommunen sowie auch kleineren Organisationen wie Bürgerinitiativen, Vereinen und Verbänden ausgehen können. Vielerorts wollen die Menschen Veränderung und so einiges bewegt sich schon. Es erweist sich zudem als sinnvoll, private Initiativen ernst zu nehmen und ihnen Raum zu geben sowie die Bevölkerung gezielt bei der Ideenfindung und Umsetzung von kommunalen Projekten der aktuellen Stadt- bzw. Ortsentwicklung gezielt miteinzubeziehen.

Bad Gandersheim: Oasenspiel 

Oasenspiel im Mai 2019 in Bad Gandersheim: Die Idee war, in zehn Tagen mit Einwohnerinnen und Einwohnern Wünsche und Träume zu sammeln, wie ein gutes Miteinander unterstützt und konkret weiterentwickelt werden kann.

So geschehen in Bad Gandersheim  im Landkreis Northeim in Niedersachsen beim Oasenspiel, einem vom EU-Programm Erasmus+ gefördertes Projekt, das der Kurstadt 2019 einen neuen Schub geben sollte. Entstanden ist das Konzept des Oasenspiels in Brasilien, um die Lebensbedingungen der Menschen in den Favelas, den Armenvierteln zu verbessern. Entscheidend ist dabei die Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner. So auch in Bad Gandersheim: Rund hundert Einwohnerinnen und Einwohner haben ihre Wünsche, Ideen und Träume zusammengetragen und sich dann innerhalb einer Woche an die erste Umsetzung gemacht. Die Grundlagen dafür – Wissen und Material – kamen aus der Gemeinschaft. Das erste verwirklichte Projekt: ein Gemeinschaftsgarten.

Hoffnungsvolle Ideen, Konzepte und Projekte

Der Verödung der Innenstädte – bedingt u. a. durch den Online-Handel und zusätzlich die Corona-Pandemie – oder ganzer Ortschaften gilt es entgegenzuwirken. Aber: Einfach nur den Einzelhandel zu fördern oder auf Nachmieter für leerstehende Ladengeschäfte zu hoffen, kann alleine die Lösung nicht sein. Vielmehr müssen die Ortszentren neu gedacht und der Wandel gezielt gestaltet werden. Das weiß auch die Politik und hat in Niedersachsen im Februar 2021 beim Innenstadtgipfel Vorschläge für die Belebung der Innenstädte und Ortszentren diskutiert. Auch Gemeinschaft und Zusammenhalt zu stärken ist in vielen Kommunen, insbesondere angesichts der Herausforderungen der Pandemie, ein zentrales Thema wie auch neue Formen des Wohnens und Bauens. Und besonders in kleinen, ländlichen Kommunen drängt die Frage, wie man die Menschen dort halten oder neue Einwohnerinnen und Einwohner gewinnen kann. Mancherorts gibt es im Avacon-Netzgebiet bereits hoffnungsvolle Ideen, Konzepte und Projekte. Hier eine kleine Auswahl:

  • In Letzlingen, Hansestadt Gardelegen, im Altmarkkreis Salzwedel in Sachsen-Anhalt entsteht derzeit ein digitaler Kaufladen.
  • In der Gemeinde Linsburg im Landkreis Nienburg/Weser gibt es bereits einen gemeinschaftlichen Dorfladen im Dorfgemeinschafthaus, der auch Begegnungsort ist.
  • In der Hansestadt Stendal in der Altmark wird gesellschaftliche Teilhabe durch digitale Nachbarschaftsgespräche unter dem Motto „Stendal besser machen“ gefördert.
  • In Calbe (Saale) im Salzlandkreis sorgen attraktive Angebote für die junge Generation dafür, dass die Abwanderung nachlässt und mehr Zuwanderung stattfindet.
  • Im Wendland werden unter der Überschrift „Wendland im Wandel“ von dem Ländliche Erwachsenenbildung in Niedersachsen e.V. (LEB) zahlreiche zukunftsweisende Projekte gebündelt. Eines davon steht für neue Formen des Wohnens, Arbeitens und Lebens auf dem Land: Hitzacker Dorf.
  • Im Lüneburger Speicherquartier schuf eine eigens gegründete Baugemeinschaft ein Leuchtturmprojekt für ökologisches Bauen: die bundesweit größte Wohnanlage mit strohgedämmter Holzbauweise. Außerdem wird hier inzwischen gemeinschaftliches generationenübergreifendes Wohnen gelebt.
  • Ebenfalls in Lüneburg ist Quartiersmanagerin Nadine Fischer als „Brückenbauerin“ im Wohngebiet „Am weißen Turm“ im Einsatz, um dort die Wohnverhältnisse und Bildungschancen der Menschen zu verbessern sowie die Nachbarschaft und die Identifikation mit dem Quartier zu stärken.

Themenauswahl: In welchen Bereichen kann gehandelt werden?

Ortskern retten:

  • Bestandsimmobilien (zurück)kaufen/mieten und dadurch die Immobilienpreise senken, sodass kleine inhabergeführte Einzelhändler und Gastronomien bleiben oder sich neu ansiedeln können und das Wohnen im Ortskern wieder erschwinglich und attraktiv wird.
  • In einigen Mittelzentren sind die Einkaufsstraßen/Fußgängerzonen zu groß dimensioniert. Hier kann es sinnvoll sein, den Handel zu verdichten, um Raum für anderes zu schaffen wie Begrünung, Kultur, Orte, an denen sich Menschen gerne aufhalten, Wohnraum, Räume für Co-Working etc.
© ARochau , Adobe Stock

Mobilität wandeln:

  • Die autogerechte Planung der 1970er-Jahre hat ausgedient. Wir brauchen menschengerechte Orte, in denen sich Radfahrer, Fußgänger – auch Frauen und Kinder - jederzeit sicher fühlen und Menschen mit Behinderung oder sonstiger Einschränkung ungehindert bewegen können.
  • Es ist Zeit für neue Mobilitätskonzepte für Stadt und Land, den urbanen Raum neu denken und aufzuteilen, damit Kommunen mit guter Infrastruktur und sauberer Luft wieder lebenswerter werden.
  • Dabei hilft auch der Ausbau eines klimafreundlichen, preiswerten öffentlichen Nahverkehrs, die Förderung von Elektromobilität, sichere Radwege und die sogenannte Multimodalität – die flexible Verknüpfung unterschiedlicher Verkehrsmittel.
© AYAimages/Adobe Stock

Begrünung fördern:

  • Flächen entsiegeln ist nicht nur ein Beitrag zum Bodenschutz, sondern fördert auch die Lebens- und Wohnqualität: Das Kleinklima verbessert sich, die Grundwasserneubildung wird erhöht, der oberflächliche Abfluss und damit die Hochwassergefahr sinkt und mehr Begrünung wird möglich.
  • Stadtbegrünung verbessert die Luft und das Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Bewohner einer Kommune. Pflanzen in der Stadt verringern das CO2 in der Luft und beispielsweise Efeu kann sogar Feinstaub filtern. Außerdem setzen mehr Grünflächen, Bäume, Sträucher wie auch Dach- und Fassadenbegrünung in Städten und Gemeinden dem Temperaturanstieg und dem zunehmenden Hitzestress in den heißer werdenden Sommern etwas entgegen, denn sie kühlen die Städte. Auch private Gärten, Kleingartenkolonien und neue Konzepte von Urban Gardening und Gemeinschaftsgärten tragen dazu bei.
  • Mehr Grün in den Städten und Gemeinden sorgt für den Schutz von Bienen, weiteren Insekten und der Artenvielfalt. Besonders Blühwiesen und Streuobstwiesen sind hier hilfreich.
  • Bei der Planung von Neubegrünung kann das allergische Potenzial der Pflanzen beachtet werden und so dem zunehmenden Pollenflug, der immer mehr Menschen zu schaffen macht, gezielt entgegengewirkt werden.

Gerne vertiefen wir Schwerpunktthemen und berichten über interessante Beispiele aus der Region auf dieser Seite bzw. in einer kommenden Ausgabe der kommunal.aktuell

Wünschen Sie, dass wir eines der oben genannten oder weitere Themen zur Stadtentwicklung/Ortsplanung ausführlicher behandeln?

In Ihrer Kommune im Avacon-Netzgebiet planen Sie oder setzen Sie bereits ein interessantes beispielgebendes Projekt um und hätten gerne, dass wir darüber berichten?

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