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Interview mit Jörg Methner

Silicon Börde

Chips für Europa vom US-amerikanischen Weltmarktführer Intel, Chips für die ganze Welt. In der Region um Magdeburg investiert das Unternehmen in den kommenden Jahren eine zweistellige Milliardensumme. Übertroffen wird diese Zahl vermutlich von zahlreichen Zulieferbetrieben, die sich zu einem bedeutenden Teil in Sülzetal, vor den Toren der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt, ansiedeln. Wir fragen Bürgermeister Jörg Methner: Welche Entwicklungsperspektiven entstehen dadurch in seiner Gemeinde, welche Herausforderungen bringt die Investition seiner Kommune und welche Zukunftschancen entstehen für die Region?
Avacon Kommunalreferentin Antje Klimek (v. l.) zu Besuch im Umspannwerk im Sülzetaler Ortsteil Osterweddingen mit Bürgermeister Jörg Methner und Karl-Friedrich Dockter (Avacon Netz) © Norbert Perner

Herr Methner, wie haben Sie die Entscheidung von Intel aufgenommen, sich in dieser Größenordnung in Ihrer Region anzusiedeln?

Offen gesagt: wie einen Sechser im Lotto. Wenn Sie an die vielen Städte und Standorte denken, die sich um eine Ansiedlung von Intel beworben haben – es waren wohl über 50 in Europa, dann darf man das so auffassen – ein Sechser im Lotto.

 

Eines der größten Gewerbegebiete in Sachsen-Anhalt befindet sich bereits in Sülzetal, wie lässt sich die langjährige Erfahrung damit für die Zukunft nutzen?

Das kommt uns sehr zugute. Was die Planung und die organisatorische Verzahnung, aber auch was Schwachstellen angeht, die bei früheren Projekten ab und an aufgetreten sind und die wir natürlich vermeiden wollten. Dazu gehört ganz wesentlich die intensive Zusammenarbeit mit Magdeburg, mit anderen Kommunen wie Wanzleben-Börde, mit dem Landkreis und dem Land. Lobend hervorheben möchte ich die gute Zusammenarbeit unter allen Beteiligten und besonders mit Staatssekretär Dr. Jürgen Ude in der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt. Als Bürgermeister kämpft man um Gewerbesteuer-Einnahmen, davon lebt die Kommune. Da zählt das, was unterm Strich bleibt. Ich bin sicher, wir sind auf einem guten Weg, auch der Gemeinderat zieht mit. 

Jörg Methner, Bürgermeister der Einheitsgemeinde Sülzetal © Norbert Perner

Wie bringen Sie Gewerbegebiet, Industrieansiedlung und Lebensumfeld der Menschen unter einen Hut. Wesentliche Aspekte wären also Arbeitsplätze, Zukunftssicherung. Lebensqualität, Wohnumfeld und demographische Entwicklung. 

Wir stecken gerade erst in der Anfangsphase, die richtigen Aufgaben kommen erst. Wir stellen den Zulieferbetrieben bis 480 Hektar (480.000 Quadratmeter) zur Verfügung, das ist eine größere Fläche als die 300 Hektar, die Intel selbst in Magdeburg beansprucht. Das bringt eine riesige Herausforderung, es wird sich sehr viel verändern: Straßen, Schulen, Kitas, Wohnungen, Arbeitsplätze – und enthält die Frage: Wollen die Menschen bleiben? 

 

Rechnen Sie auch mit unerwarteten Herausforderungen für Ihre Kommune?

Überraschungen kann es immer geben; wir sind eine kleine Kommune und stehen auch vor großen personellen Herausforderungen, um das zu stemmen. Wir gucken jetzt in eine Glaskugel und wissen bald mehr. Mit den Beratungen in Arbeitsgruppen bereiten wir uns auf all das Kommende vor. Doch wir sind auf einem guten Weg. Ergänzen möchte ich: Wir konzentrieren uns auch, aber nicht ausschließlich auf Intel, sondern verbreitern das Spektrum der lokalen und regionalen wirtschaftlichen Infrastruktur.

 

Stichwort Verkehr: Wie sehen hier die Planungen aus? 

Wir planen eine Anbindung des Gebiets an die B81, damit kein Nadelöhr entsteht. Das ist für alle Unternehmen im Gewerbegebiet von Vorteil. Es sind ja auch viele Logistikunternehmen dort, die einfach schnell raus zur B 81 wollen und nicht ins Dorf. 

Was die Stimmung angeht, mag es hier und da Bedenken geben. Deswegen reden wir miteinander, etwa auf Versammlungen, und mit dem Erklären wächst auch das Verständnis, was kommt, wie es kommt. Blickt man zurück, gab es auch bei Amazon und anderen Neuansiedlungen anfangs Skepsis. Das Gegenteil ist eingetreten, das Verständnis gewachsen. 

So viel guten Bördeboden herzugeben, verlangt eine Abwägung zwischen Landwirtschaft und Wirtschaft. Flächen werden anders genutzt, Arbeitsplätze entstehen. Anderswo schließen auch Betriebe, die Ansiedlung schafft Zukunft. Das ist gut für Sülzetal und weit darüber hinaus, etwa in Wanzleben oder Ottersleben und bis Schönebeck. Das ganze Umland profitiert, davon bin ich fest überzeugt. 

 

Stichwort Arbeitsplätze: Welche Beschäftigungseffekte erwarten sie für die Region?

Mehrere Tausend sichere und hochqualifizierte Arbeitsplätze erwarten wir auf jeden Fall. Wie viele genau, dafür muss man das Ganze sehen, Intel und seine Zulieferer. Die Wirtschaftsstruktur der Region macht definitiv einen großen Sprung. 

Jörg Methner mit Antje Klimek © Norbert Perner

Wie beurteilen Sie die interkommunale Zusammenarbeit?

Was mich in den Diskussionen der Arbeitsgruppen sehr positiv überrascht hat, ist die Offenheit, auch von Intel. Die Menschen wollen Antworten auf ihre Fragen, das haben wir bei vielen Beratungen auch im Gemeinderat gespürt. Die Fragen werden geklärt, da ist eine gute, freundschaftliche Partnerschaft entstanden. 

 

Es kann nicht immer nur angenehme Dinge geben. Wo sehen Sie das Projekt? 

Das wird die Zeit zeigen, im Moment dominieren die angenehmen Seiten. Vielleicht tauchen noch Hürden auf, die werden wir gemeinsam beseitigen. Miteinander sprechen und die Menschen mitnehmen, das ist das Wichtigste, das wollen wir, das will Intel genauso. 

 

Gibt es zeitliche Wegmarken, an denen Sie sich orientieren?

Wir stehen vor umfangreichen ambitionierten Genehmigungsverfahren. Die laufen gerade, und wir wollen sie beschleunigen. Der Gemeinderat Sülzetal hat den Plänen bereits Anfang Juni zugestimmt. Jeder hat seine Aufgaben und geht sie an. Besonders loben möchte ich noch einmal Staatssekretär Dr. Jürgen Ude, der voll präsent ist und uns mit Rat und Tat zur Seite steht. Er koordiniert und führt die Fäden zusammen. Anfang nächsten Jahres soll der erste Kran stehen, 2026 will Intel mit der Produktion loslegen. 

 

Unterstützt Avacon Sie bei dem Projekt, wie arbeiten Sie zusammen? 

Auch für Avacon stellt das Projekt eine gewaltige Herausforderung dar; es ist gewissermaßen eine Megacity, die da versorgt und vernetzt werden will. Wir sind in enger Abstimmung, Avacon sieht das ganzheitlich, und Intel wird zufrieden sein. Über unsere bisherige Zusammenarbeit kann ich nur Positives sagen, wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht. 

 

Welche Partner dürfen wir auf keinen Fall vergessen, welche Themen sind für Sie außerdem wichtig?

Wir haben die Vereine noch nicht erwähnt und das Ehrenamt. Ohne ihr bürgerschaftliches Engagement kann keine Kommune funktionieren. Auch die Gewerbetreibenden gehören dazu, sie bilden unsere Basis und sind Teil dieser Gemeinschaft. Einnahmen aus der Gewerbesteuer ermöglichen Zukunftsinvestitionen und sollten daher fair verteilt werden, auch bei uns. Ich will an dieser Stelle auch die gute Zusammenarbeit mit den Betriebsleitern hervorheben. „Geht nicht“ habe ich von denen noch nie gehört. Wenn nötig, finden wir immer einen Kompromiss, finden gemeinsam eine Lösung und arbeiten Hand in Hand.

 

Können Sie ein Beispiel für eine solche Zukunftsinvestition nennen?

Im Gegenzug engagieren wir uns als Kommune, zum Beispiel bei unseren Schwimmbädern – auch wenn sie keine originäre kommunale Pflichtaufgabe sind. Wir investieren für unsere Kinder, für unsere Bürger, für die Mitarbeitenden der Unternehmen und ihre Familien ebenso. Übrigens haben wir festgestellt, dass auch Menschen aus der Stadt gern aufs Land kommen. 

In der Kommune ist das immer ein Geben und Nehmen, das wissen und schätzen alle Beteiligten. So haben wir uns weiterentwickelt und große Schritte gemacht. Die geht man nicht allein, die geht man gemeinsam. 

 

Ihr Fazit zum aktuellen Zeitpunkt? 

Wir sind zufrieden und sogar glücklich, dass Intel kommt. Wir arbeiten offen und ehrlich zusammen und spüren, dass die Bevölkerung mitzieht. Jeder, der hier lebt, will schließlich seine Familie ernähren und ihr ein gutes Umfeld bieten. Und in dieser Struktur entsteht unsere gemeinsame Zukunft.