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Interview

Elektrisch in die Zukunft

Nachhaltig, klimaneutral und umweltverträglich – Elektromobilität gilt als Mobilität der Zukunft und Schlüssel zur Verkehrswende. Und doch gibt viele Fragen rund um das Thema, zum Beispiel wie sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur auf die Stabilität der Netze auswirkt. Wir haben im Vorfeld viele spannende Fragen direkt aus unseren Kommunen eingesammelt und diese Dr. Johannes Schmiesing, Leiter Netzentwicklung Strom bei Avacon Netz, gestellt.

 

Wir danken unseren Fragenstellern: 

• Harald Bothe, Bürgermeister der Einheitsgemeinde Stadt Jerichow

• Jens Hünerbein, Bürgermeister der Einheitsgemeinde Stadt Gommern

• Jan Krebs, Klimaschutzmanager der Gemeinde Wennigsen (Deister)

• Heinz-Jürgen Weber, Bürgermeister des Flecken Steyerberg

Dr. Johannes Schmiesing
Dr. Johannes Schmiesing

Herr Schmiesing, ist das Laden von E-Autos nicht unpraktisch?

Moderne Elektroautos haben eine Reichweite von ca. 400 Kilometern. Das sind Batterien in der Größenordnung 80 kWh. Man kann im Nutzerverhalten davon ausgehen, dass die Menschen nach ca. 250 Kilometern Strom tanken, wenn die Batterie etwa noch ein Drittel geladen ist. Diese 250 Kilometer fährt der durchschnittliche deutsche Autofahrer aber in fünf bis zehn Tagen. Die Annahme, dass jeder, der ein E-Auto fährt, dieses auch jeden Abend an seiner Wallbox o. Ä. einsteckt, ist daher nicht mehr aktuell.

Durchschnittliche Ladezeiten auf privatem Grundstück mit gängigen Wallboxen liegen zwischen zwei und fünf Stunden (bei einer Leistung von 11 bis 22 kW). Schnelladepunkte, etwa an Supermärkten, werden zukünftig eine Leistung von 50 bis 125 kW haben. Das Laden reduziert sich dort auf 25 bis 60 Minuten, passend zu den typischen Einkaufzeiten. Für Autobahnen sind Ladepunkte mit bis zu 350 kW Leistung vorgesehen. Hier reden wir dann von 10 bis 15 Minuten Ladezeit – die Zeit also, die es braucht, um einen Kaffee zu trinken

Noch schnelleres Laden halte ich momentan für technisch nicht sinnvoll, da es die Batterien nicht so gut vertragen würden.

Im Schnitt werden Autos nur 30 bis 60 Minuten pro Tag bewegt. Das Ziel ist also, überall dort Ladeinfrastruktur zu schaffen, wo Autos in unserem Alltag sowieso stehen. Neben dem eigenen Zuhause kann das auf der Arbeit, beim Einkaufen, im Parkhaus usw. sein. Im Idealfall entfällt dann sogar der zeitliche Mehraufwand, weil man keine Tankstelle mehr aktiv anfahren muss.

 

Wie weit ist denn die Netzinfrastruktur?

Zunächst stehen über 60 Prozent der Autos in Deutschland auf oder vor privaten Grundstücken. Bei Avacon kann man jetzt eine Wallbox auch in Garagenhöfen einsetzen.

Seit diesem Jahr gibt es das Schnelladegesetz. Staatlicherseits werden flächenbezogen 1.000 sogenannte Schnelladehubs (eine Fläche, auf der mehrere Schnellladepunkte sowie Nebenanlagen wie Gastronomie/Toiletten für jedermann zur Nutzung bereitgestellt werden) ausgeschrieben. Wo sie liegen werden, kann man heute bereits auf www.deutschlandnetz.de sehen. Ziel ist es, dass jeder Autofahrer in ungefähr 15 bis 20 Minuten einen solchen Punkt erreichen kann. Es wird aber auch ein eigenes kommerzielles Interesse vom Einzelhandel wie Supermärkten und der Gastronomie geben, für die Kundenbindung die Parkmöglichkeiten mit Ladepunkten zu verbinden. Da lässt sich der Einkauf oder der Besuch gleich mit dem Ladevorgang verbinden. Die Ladeinfrastruktur wird sich also aus dem privaten, dem öffentlichen und dem marktwirtschaftlichen Bereich zusammensetzen.

 

Liegt das im Verantwortungsbereich der Kommunen?

Alles bis zum Hausanschluss ist klar Sache des Netzbetreibers und daran arbeiten wir bei Avacon massiv. Dafür werden ja die Konzessionen vergeben, es sind keine finanziellen Mittel der Kommunen notwendig. Eine Kommune ist auch nicht verpflichtet, eigene Ladepunkte zu betreiben. Das liegt in ihrem freien Ermessen. Interessant für die Kommune ist natürlich ein Überblick der wirtschaftlichen Akteure vor Ort. Dort können Kommunen sich einbringen und diese Akteure vernetzen.

 

Vertragen die Netze von Avacon die Mehrbelastungen?

Die wirklichen Ladezeiten sind, verglichen mit den Standzeiten der Elektroautos, sehr gering. Dazu haben wir umfassende Untersuchungen durchgeführt. Mein Eindruck ist, dass das Problem der Netzbelastung durch häusliches Laden eher überschätzt wird. Die Menschen verhalten sich nach all unseren Forschungsergebnissen deutlich ungleichmäßiger als es oft vermutet wird. Wenn allerdings an Autobahnen sehr schnell sehr große Ladeleistungen für PKW und LKW angefragt werden, ist das durchaus eine Herausforderung. Hier reden wir perspektivisch von einer Nachfrage einer Kleinstadt, die es zu bauen gilt, also z. B. 10 oder 20 MW. Wenn dann aber der Anschluss solch eines großen Ladeparks errichtet wird, hat seine Versorgung aber keinen Einfluss auf die Stabilität unserer Netze. Alles, was an das Netz angeschlossen wird, ist stabil. Unser Verteilnetz von Avacon wird ja effizient ausgebaut und jedes Jahr etwa ein oder zwei Prozent leistungsfähiger. Damit sind wir voll im Plan, denn es besteht kein Bedarf, die Verteilnetze etwa zu verdoppeln oder zu verdreifachen. Es wird in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten für die Mobilitäts- und Wärmewende um eine Größenordnung von 40 bis 50 Prozent mehr Netzleistungsfähigkeit gehen. Das ist eine große Herausforderung, aber es ist leistbar.

 

Gibt es genug Ökostrom, um die Nachfrage zu decken?

Elektromobilität muss in der Strombedarfsprognose berücksichtig werden. Das ist ja gerade auch seitens des BMWi festgestellt worden. Wir müssen den Zubau erneuerbarer Energien also weiter beschleunigen, über das Maß hinaus, das für die heutigen Stromanwendungen nötig wäre. Aber das hat auch sein Gutes: Denn je höher dieser Anteil am Strommix ist, desto umweltfreundlicher ist wiederum Elektromobilität. Die rechnerischen Emissionswerte elektrisch gefahrener Kilometer werden deswegen jedes Jahr besser. Für eine Vollelektrifizierung des Straßenverkehrs in Deutschland bräuchten wir etwa 25 Prozent mehr Strom. Von dieser Vollelektrifizierung sind wir aber noch weit entfernt, Benzinmotoren werden uns noch einige Jahre begleiten. Die aktuellen Planungen gehen von einem erhöhten Strombedarf von ungefähr zehn Prozent im Jahr 2030 aus. Mit politischem Willen kann der Ausbau der erneuerbaren Energien also mit dem wachsenden Strombedarf mithalten.

 

Braucht es weitere Technologien wie Wasserstoff für den Straßenverkehr?

Meiner Meinung nach wird die Entwicklung eines serienreifen Wasserstoffantriebs zu lange dauern. Elektromotoren haben zudem einen höheren Wirkungsgrad. Da Energie auch zukünftig ein knappes Gut sein wird, ergibt es keinen Sinn, vom hocheffizienten Elektromotor auf eine deutlich ineffizientere Brennstoffzelle zu schwenken. Zudem gibt es große andere Einsatzfelder für grünen Wasserstoff. Er wird vermutlich langfristig auch für die Stromproduktion sehr wichtig sein: Unseren Strombedarf werden wir in den Dunkelflauten nicht aus Wind- und Sonnenenergie allein decken können. Es wird also auch in Zukunft wahrscheinlich noch Kraftwerke geben, die aus grünem Wasserstoff Strom produzieren. Auf der anderen Seite werden wir in den Sommermonaten überschüssigen Strom nutzen, um diesen Wasserstoff zu gewinnen. Der lässt sich speichern und bei Bedarf in die Kraftwerke leiten, aber auch im- oder exportieren. Wasserstoff brauchen wir perspektivisch ebenfalls in der Wärmeversorgung und als Basis für synthetische Flüssigtreibstoffe für Flugzeuge und Schiffe, wo wir gewichtsbedingt mit Elektromotoren nicht weiterkommen. Damit sind die denkbaren Wasserstoffressourcen erheblich beansprucht, sodass es Sinn macht, im Straßenverkehr auf die effizienteren batterieelektrischen Fahrzeuge zu setzen.

 

Lässt sich durch Lastmanagement vielleicht Netzausbau sparen, was wiederum das Netzentgelt beeinflussen würde?

Zum Lastmanagement wird gerade richtigerweise viel geforscht, um die Möglichkeiten auszuloten und sich auf verschiedene Szenarien vorzubereiten. Die Mengen, die man aktuell auf der Lastseite bei den Kunden bewegen kann, sind aber – verglichen mit den beschriebenen Schwankungen der zukünftig noch wesentlich weiter ausgebauten regenerativen Stromerzeugung – relativ gering. Denn Lastmanagement ist zudem immer mit Komforteinbußen für die Verbraucher verbunden und erfordert hohen Steuerungsaufwand. Die finanziellen Anreize, die man Kunden anbieten kann, werden wahrscheinlich einem Großteil der Verbraucher nicht ausreichen. Wir bereiten uns bei Avacon daher auf leistungsfähige Netzte unter Vollversorgung vor. Das heißt, dass die Kunden sich so verhalten können, wie sie möchten. Dies macht die Betrachtung des Lastmanagements schon aus Sicherheits- und Nachhaltigkeitsgründen heraus aber nicht unsinnig: Zum Beispiel ist es richtig, dass es günstiger sein sollte, sein E-Auto mit dem Strom der eigenen PV-Anlage zu laden. Nachhaltiger geht es nicht, es sei denn, man steigt auf das Fahrrad um. Aber hier werden Förderungen auch schon teilweise miteinander verknüpft.