Energie intelligent verschwenden
Bereits seit Jahrzehnten setzt sich Prof. Leukefeld intensiv mit nachhaltigen Konzepten zur vernetzten autarken Energieversorgung und mit Solarenergie auseinander. Seit 2011 ist er Honorarprofessor für Solarthermie, seit 2013 ist er zudem Energiebotschafter der Bundesregierung. Er setzt sich dafür ein, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Energieverbrauch in Deutschland zu erhöhen.
Privat hat Prof. Leukefeld die Energiewende bereits vollzogen. In seinem Vortrag „Intelligent Verschwenden – neue Wege im Umgang mit Energie“ berichtete Prof. Leukefeld von seinen Erfahrungen, die er mit seiner Familie in seinem energieautarken Fertighaus macht.
Interview
Ich bin in einer Försterei aufgewachsen – und somit sehr zeitig mit dem Thema Nachhaltigkeit in Verbindung gekommen. Meine Mutter war Försterin und hat mir beigebracht, dass der Wald, den wir jetzt ernten, zwei Generationen vor uns angepflanzt wurde und dass das, was wir jetzt pflanzen, erst in zwei Generationen geerntet werden kann. Dann habe ich natürlich erkannt, wie die Energieversorgung gerade auch der DDR alles andere als nachhaltig war – die beruhte ja nur auf Braunkohle. Mein Interesse für Umwelttechnik war groß, vor allem die Solartechnik hat mich fasziniert. Mit meinen Eltern schloss ich dann einen Handel ab: Ihr braucht mich im Studium nicht finanziell unterstützen – ich hatte schon meine Firma nebenbei und konnte davon leben –, dafür stellt ihr mir aber euer Haus als Experimentierfeld zur Verfügung. Dort habe ich zunächst eine Holzheizung eingebaut, dann folgte die Solaranlage auf dem Dach. Nicht immer funktionierte gleich alles auf Anhieb, manchmal mussten meine Eltern dann auch im Kalten sitzen. Aber sie haben mich unterstützt, haben die Technik mitfinanziert und mein Herumexperimentieren während der fünf Studienjahre ausgehalten. Viele Studien habe ich also am Haus meiner Eltern durchgeführt und die Lernkurve ging steil nach oben. Inzwischen haben meine Eltern aber die im Laufe der Jahre veraltete Technik durch neuere ersetzt.
Ja, das Herumexperimentieren im Haus meiner Eltern war mein erstes Projekt und zugleich die Erfüllung eines Traumes. Ich sagte mir: Man müsste doch vernetzt energieautark leben können – und so etwas macht man am besten im Selbstversuch. Wenn Sie so ein Haus bauen und eine Familie drin wohnen lassen, mit diesen 190 Sensoren, die wir jetzt einsetzen, dann haben Sie ein Problem mit dem Datenschutz: Keine Familie würde zustimmen, dass ihr Verhalten so detailliert öffentlich einsehbar ist. Schließlich sehen Sie wirklich alles. Aber im Selbstversuch ist das irrelevant. Mit den Sensoren wird ein Protokoll erstellt, das wir für die Optimierung der Energieerzeugungs- und verbrauchskurven brauchen. Wenn Sie es feinaufgelöst aufziehen, können Sie nachvollziehen, was für ein Fernsehprogramm wir schauen, wann wir zuhause sind, wann wir duschen oder Kaffee kochen.
Das Projekt umfasst zwei Häuser, die miteinander vernetzt sind. Da liegen Stromleitungen drin, um die Akkus zu vernetzen. Das eine der beiden Gebäude hat eine gewerbliche Anwendung – hier gibt es immer nur tagsüber viel Strombedarf, nicht aber am Wochenende. Das andere ist die Wohnanwendung, wo man immer nur abends, morgens und am Wochenende Energie benötigt. Wenn Sie das übereinander legen, steigt der Autarkiegrad noch einmal.
Die Sensoren sehen Sie ja nicht. Für mich war wichtig, dass man nicht das Gefühl hat, überwacht zu werden. Ich habe auch immer zu meiner Familie gesagt: Verhaltet euch ganz normal. Ihr müsst weder sparen noch extra viel verbrauchen. Seid einfach ihr selbst. Meine Familie merkt also eigentlich nichts davon. Außer, dass es sehr komfortabel ist. Schließlich haben wir jetzt nach dem ersten Jahr eine Wohnraumtemperatur von durchschnittlich dreiundzwanzig Grad. Das hat kaum jemand, der eine Gasheizung hat.
In das private Haus kommt überhaupt niemand rein. Wir machen die Führungen nur im Büro, das wäre sonst eine zu große Belastung. Ich glaube, da würde die Familie ausziehen. Das haben sie mir auch angedroht: Also, wenn du das nicht trennst, dann werden wir hier nicht mit einziehen. Zudem waren zwei meiner Kinder schon sehr zeitig ausgezogen, die haben von dem Projekt nichts mehr mitbekommen. Mein achtjähriger Sohn und meine sechzehnjährige Tochter leben noch bei uns. Die beiden sind begeistert: Die Große macht zum Teil Führungen für Studentengruppen, zeigt ihnen die Technik und verdient damit Geld. Sie leben dieses intelligente Verschwenden natürlich gerne vor und sagen: Mensch, hier herrschen angenehme 23 Grad, ich hab den Rechner an und viel Licht an – und es wirkkt sich nicht negativ auf die Energiekostenrechnungen aus. Es ist schön, zu wissen, das, was wir hier verbrauchen, ist Energie, die wir selbst kostenlos erzeugen... Gestern haben wir mit dem MDR einen Beitrag gedreht und da meinte mein Sohn, es würde ihm total Spaß machen, Energie zu verbrauchen, denn es käme ja immer wieder welche nach. Das war so treffend!
Es kostet etwa 90.000 Euro mehr als ein normales Haus. Das sind die Differenzkosten. Ich muss mir ja erst einmal irgendein Haus aussuchen, ein billiges oder ein teures, und die 90.000 Euro sind dann eine Zusatzinvestition.
Im Vergleich zu meinem Nachbarn, der auch ein neues Haus hat – ich kann es ja nicht mit einem alten Haus vergleichen, im Vergleich zu einem alten Haus ist es noch mehr –, sparen wir etwa 4.500 Euro im Jahr ein – für Wärme, Strom und Autofahren. Bei den heutigen Energiepreisen rechnet sich das nach etwa 17 bis 20 Jahren. Aber das ist nicht das Hauptmotiv. Das Hauptmotiv ist, dass ich unabhängig sein und Sicherheit haben will.
Von der Technik her schon, doch von der Umsetzung her ist es nicht ganz einfach. Denn Kommunen haben oft eine schwierige Haushaltslage und oft muss extrem auf die kurzfristige Wirtschaftlichkeit geachtet werden. Wir haben keine Chance, uns mit unserem Konzept innerhalb von drei Jahren zu amortisieren. Das heißt, es müssen immer auch Zusatzmotive hinzukommen, die natürlich längere Prozesse erfordern, Erklärungen mit den Abgeordneten, mit den Bürgermeistern und so weiter. Man kann natürlich versuchen, an Pilotprojektförderungen heranzukommen, um die Kosten etwas zu dämpfen. Aber sinnvoll ist es auf alle Fälle. Denn die Bürger schauen genau hin: Was macht mein Rathaus? Was macht mein Bürgermeister? Und wenn der nichts macht, sind die Bürger ja auch demotiviert, bei ihren Häusern etwas zu machen.
Die Chancen sind ja im ländlichen Raum viel höher, sich selbst zu versorgen als in der Stadt. Dies sieht man beispielsweise an den Bioenergie-Dörfern. Es ist so: Wer in Zukunft in einen großen Speicher für Strom oder Wärme investiert, um sich selber ein Stück unabhängig zu machen, und diesen Speicher in einer vernetzten Form dem Versorger, dem Nachbarn oder der Kommune zur Verfügung stellt, um Schwankungen im Stromnetz auszugleichen, der kann in Zukunft damit Geld verdienen – und zwar nicht durch staatliche Subventionen, die EEG-Umlage und so weiter, sondern aus dem Grund, dass diese Fluktuationen praktisch so stark zunehmen werden, dass man dafür Geld bekommt, wenn man sie abfedert und das Netz stabilisiert. Das ist eigentlich ein doppelter Nutzen: Man macht sich unabhängig, man hat die Altersvorsorge im Blick und man verdient zusätzlich in Zukunft Geld.
Das Antriebsmoment für die Umstellung auf Erneuerbare Energien könnte sein, dass sich die Weltgemeinschaft ganz bewusst für die Dekarbonisierung entscheidet. Wenn das kommt, wenn praktisch politisch entschieden wird: Wir wollen einen großen Teil der Kohlenstoffvorräte in der Erde lassen, um das Zwei-Grad-Ziel noch irgendwie zu erreichen, dann wird plötzlich die Investition in Erneuerbare Energien hochinteressant. Eine genaue Zukunftsprognose, wann dies soweit sein wird, kann ich schwer machen. Ich würde eher längerfristig denken, also in etwa 20 bis 30 Jahren. Aber diese 20, 30 Jahre machen auch nichts, wenn wir über Altersvorsorge reden. Schließlich baue ich während meines Erwerbslebens über 50 Jahre etwas auf. Zur Altersvorsorge passend ist das also ein ganz normaler Zeithorizont.